Die erste Zeit bei Ihnen bildet das Fundament für die spätere Betreuung. Sie ist nicht nur für das Kind sehr aufregend, sondern auch für die Eltern und sicherlich auch für Sie und Ihre Gruppe. In dieser ersten Zeit wird das Kind mit vielen neuen Situationen konfrontiert, lernt neue Kinder kennen, soll Vertrauen zu Ihnen aufbauen und das Ganze in völlig ungewohnten Räumen mit fremdem Spielzeug. Die Eltern müssen lernen, dass ihr Kind nun selbstständiger wird und sie weniger gebraucht werden. Nicht selten fällt es den Eltern schwerer ihre Kinder loszulassen, als es dem Kind sich an Sie und die neue Situation zu gewöhnen. Dazu kann auch ein Konkurrenzgedanke der Eltern kommen, da ab jetzt eine ihnen fremde Person einen Großteil des Tages mit ihrem Kind verbringt. Umso wichtiger ist es die Eingewöhnung im Vorfeld gut mit den Eltern abzusprechen und auch die Stimmung, Sorgen und Ängste der Eltern wahrzunehmen und im Blick zu haben. In unserem Elternbrief finden Sie Tipps für Eltern, um die Eingewöhnung zu erleichtern.
In den ersten Tagen und Wochen baut sich die Bindung zwischen dem Kind und Ihnen auf. Sie ist elementar wichtig für eine gesunde kindliche Entwicklung. Nur mit einer festen Bindung und dem damit einhergehenden Vertrauen zu Ihnen fühlt sich das Kind sicher und geborgen und kann seine Umwelt erforschen, lernen und sich bilden. Bitte nehmen Sie sich ausreichend Zeit um diese Übergangsphase gut und stressfrei mit den Eltern meistern zu können.
Dazu zählt auch:
- dass nicht mehr als ein Kind gleichzeitig eingewöhnt wird,
- dass zwischen zwei Eingewöhnungen min. 4 Wochen liegen.
So kann sich das Kind langsam an die Gruppe und Abläufe gewöhnen und Sie können sich intensiver um das neue Kind kümmern.
Wir empfehlen das sogenannte „Berliner Modell“
"Es beruht auf den Forschungsergebnissen und Erkenntnissen der Bindungsforschung: Eine sichere Bindung ist ein psychischer Schutz für Kinder, auf den sie besonders dann zurückgreifen können, wenn das Leben sie mit psychischen Belastungen konfrontiert. Sie bietet das Fundament für eine gute Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Sicher gebundene Kinder sind belastungsfähiger, können leichter sozialen Kontakt aufbauen und halten, sind konfliktfähiger, ausdauernder und lernbereiter." (Niedersächsisches Kindertagespflegebüro: Ein guter Start)
Das Berliner Modell gliedert sich in fünf Phasen. Eine tabellarische Übersicht finden Sie hier.
1. Kennenlernen
In einem ausführlichen Gespräch vor Betreuungsbeginn besprechen Sie mit den Eltern des zukünftigen Tageskindes die Gestaltung der Eingewöhnung. Dabei sollten immer die Bedürfnisse des Kindes im Mittelpunkt stehen. Es empfiehlt sich, min. 4 Wochen Zeit für die Eingewöhnung einzuplanen. Je nach Individualität, Temperament, Bindungsverhalten und Erfahrungen reagieren die Kinder sehr unterschiedlich auf die neue Situation und brauchen mehr oder weniger Zeit um sich an diese zu gewöhnen.
2. 3-tägige Grundphase
Drei Tage lang besucht das Kind mit einem Elternteil oder einer anderen Bezugsperson die Tagespflegestelle für ein bis zwei Stunden. In dieser Zeit kann sich das Kind mit der Umgebung, den anderen Kindern und Ihnen vertraut machen. Machen Sie dem Kind immer wieder Spielangebote und suchen Sie den Kontakt zu ihm/ihr ohne es von der Bezugsperson "weg zu locken". Stellen Sie sicher, dass die Atmosphäre in Ihrer Tagespflege in diesen ein bis zwei Stunden eher ruhig ist und Sie genügend Zeit haben sich dem neuen Kind zuzuwenden.
3. Erster Trennungsversuch
Frühestens am vierten Tag (niemals an einem Montag) findet ein erster Trennungsversuch statt. Die Bezugsperson verabschiedet sich klar und deutlich vom Kind und verlässt den Raum für kurze Zeit (10-15 Minuten ist ausreichend). Die Reaktion des Kindes bestimmt das weitere Vorgehen:
- Bleibt das Kind gelassen oder lässt sich von Ihnen schnell beruhigen und findet nach kurzer Zeit zurück ins Spiel → kürzere Eingewöhnung
- Weint das Kind heftig, sucht nach der Bezugsperson und lässt sich von Ihnen nicht trösten, spielt nicht und zeigt deutlich seine Not → längere Eingewöhnung
4. Stabilisierungsphase
Kürzere Eingewöhnung: Die Bezugsperson bleibt in den kommenden Tagen noch kurz im Raum und verabschiedet sich dann vom Kind. Die Trennungszeit kann langsam ausgedehnt werden. Wichtig ist, dass die Bezugsperson des Kinder immer für Sie erreichbar bleibt und notfalls schnell in der Tagespflege ist. Langsam können auch die pflegerischen Aspekte (Windeln, Füttern, etc.) von Ihnen übernommen werden, das erste Mal immer im Beisein der Bezugsperson. Längere Eingewöhnung: Die Bezugsperson bleibt bis zum siebten Tag mit dem Kind in der Tagespflege. Sie übernehmen nach und nach die Versorgung des Kindes und bieten sich immer wieder als Spielpartner/in an. Am siebten Tag (niemals an einem Montag) findet ein erneuter Trennungsversuch statt. Die Reaktion des Kindes zeigt Ihnen, ob Sie die Trennungszeit bereits ausdehnen können oder die Eingewöhnung weiter verlängern.
5. Schlussphase
Die Bezugsperson verabschiedet sich nach dem Bringen zügig vom Kind, bleibt aber weiterhin für Sie erreichbar. Die Eingewöhnung ist abgeschlossen, wenn das Kind nicht mehr weint, bzw. sich schnell von Ihnen trösten lässt und sich in seiner neuen Umgebung wohlfühlt.
Woran Sie erkennen, dass die Eingewöhnung erfolgreich war:
- Das Kind hat eine stabile Bindung zu Ihnen aufgebaut und lässt sich beim Abschied und in anderen belastenden Situationen von Ihnen trösten.
- Das Kind wendet sich an Sie, wenn es Hunger oder Durst hat oder Nähe sucht.
- Das Kind hat Freude am Erkunden der neuen Umgebung und kann sich auf sein Spiel konzentrieren.
- Das Kind sucht aktiv Kontakt zu anderen Kindern und kann sich auf Spiel- und Beziehungsangeboten einlassen (auch Essen und Schlafen).
Zeigt das Kind im Gegensatz dazu „Abseits-Verhalten“ (steht unbeschäftigt herum, wandert ziellos umher), rhythmische freudlose Bewegungen, lutscht viel am Daumen oder Schnuller, zupft an Haaren und Kleidungsstücken, lacht wenig bzw. freut sich nicht auf Sie, dann sind dies Anzeichen dafür, dass es sich nicht wohlfühlt. Die Ursachen können in einer fehlenden sicheren Bindung zu Ihnen liegen oder in der Art der Betreuungssituation (z.B. zu hohe Belastungen des Kindes durch lange Betreuungszeiten, durch die Gruppenkonstellation, zu wenig Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse im Betreuungsalltag o. ä.).
Wenn diese Anzeichen beobachtet werden, besteht dringender Handlungsbedarf um das Kindeswohl zu sichern.